Tradition Wu Stil (wúshì, 吳式)

Die Lehre des Taijiquan 太極拳 blickt auf eine lange Tradition zurück. Bereits 2600 v.Chr. übte sich der gelbe Kaiser in der Heilkunst des Qigong und in den Kampfkünsten, welches im Huangdi Neijing 黃帝內經 aufgezeichnet wurde. Dieses alte Wissen bildet die Grundlage der traditionellen chinesischen Medizin (TCM). Das Körper-Energie-Konzept bildet hierbei die Basis und lehrt, wie man die alles durchdringende kosmische Energie Qi ganzheitlich in der Heil- und Kampfkunst sowie auch im Alltag als Lebensweg für sich entdecken und nutzen kann. Es finden sich sowohl in den Schriften von Laotse, dem Daodejing 道德經 ca. 500 v.Chr., als auch im I Ging 易經, dem Buch der Wandlungen, immer wieder Hinweise auf die alte Bewegungskunst des Taijiquan.

„Auf der ganzen Welt gibt es nichts Weicheres und Schwächeres als das Wasser. Und doch in der Art, wie es dem Harten zusetzt, kommt nichts ihm gleich. Es kann durch nichts verändert werden.“ Laotse – Daodejing, Kapitel 78

Der Wu-Stil des Taijiquan geht zurück auf den Mandschuren Wu Quanyou 吳全佑 (1834-1902). Er lernte im 19. Jahrhundert beim Altmeister Yang Luchan 楊露禪 (1799-1872), welcher in der 16. Generation der Chen-Familie als Begründer des Yang-Stils galt. Quanyou verfügte bereits über einen ausgezeichneten harten Kung Fu-Stil. Als er auf den Altmeister Yang Luchan traf, war er fasziniert von dessen weicher Kampfkunst, in der dieser als unbesiegbar galt. Nachdem er diese von Yang Luchan gelernt hatte, verband er seine alte Kampfkunst mit den Prinzipien des Taijiquan und hatte somit einen neuen Taijiquan-Stil, genannt Wu-Stil, kreiert. Dieser wird von der Hand in den Fuß ausgeführt, wobei das Qi vom Himmel zur Erde geleitet wird. In den Alten Stilen von Chen und Yang wurde das Qi von der Erde in den Himmel geleitet.

Wu Jianquan 吳鑑泉 (1870-1942) lernte die Kunst von seinem Vater Quanyou. Er unterrichtete Wu-Stil Taijiquan am Kaiserhof und sein ausgezeichnetes Kung Fu wurde in ganz China bekannt. Hierdurch wurde auch Wu-Stil Taijiquan in ganz China und später auch weltweit bekannt.

Meister Ma Jiangbao 馬江豹 (1941-2016) ist der Enkel von Wu Jianquan. Er lernte die Kunst sowohl von seinem Vater Ma Yueliang 馬岳樑 (1901-1998), der ein Meisterschüler von Wu Jianquan war, als auch von seiner Mutter Wu Yinghua 吳英華 (1907-1996), der Tochter von Wu Jianquan, die ihn beide seit seinem sechsten Lebensjahr unterrichteten. Bei seiner Mutter lernte er die Taiji-Formen, von seinem Vater lernte er den Kampfkunst-Aspekt und zahlreiche medizinische Anwendungen, wie z.B. Tuna, die medizinische Pulsdiagnose. Meister Ma kam 1986 mit seinem Vater nach Deutschland, wo er über 30 Jahre den Wu-Stil unterrichtete. Er verbreitete dieses alte traditionelle Wissen in Europa und darüber hinaus.

„Ting Jin, höre das Qi, folgen und neutralisieren, natürlich und leicht den Wandel von Yin und Yang herbeiführen!“ Sifu Jürgen Meyer

Sifu Jürgen Meyer (*1960) war einer der langjährigen Schüler von Meister Ma Jiangbao und erlernte fast 30 Jahre lang den Wu-Stil und das Qigong-System der Familie Ma. Er wurde 2008 von Meister Ma Jiangbao als Tudi, direkter Schüler des Familiensystems, aufgenommen und führt nun die Tradition des Wu-Stils fort. Aufbauend auf dem Qigong-System und der langsamen Gesundheitsform (108 Bewegungen) werden auch die schnelle Form, Waffenformen sowie klebende- und schlagende Hände unterrichtet. In der heutigen Zeit treten besonders die Gesundheitsaspekte des Taijiquan in den Vordergrund. Darüber hinaus kann Taijiquan unseren Lebensweg (Dao) und die Kultivierung der Selbst-Natur inspirieren.

Seit über 20 Jahren lehrt der diplomierte Sozialpädagoge dieses alte Wissen des Wu-Stil Taijiquan. Jürgen Meyer ist Mitglied und langjähriger geprüfter Lehrer im EWTC (European Association for traditional Wu Tai Chi Chuan e.V.) und bildet selbst Kursleiter nach EWTC-Kriterien aus. Der EWTC ist Mitglied im DDQT, dem Deutschen Dachverband für Qigong und Taijiquan.

Darüber hinaus hat Jürgen Meyer schon früh Erfahrungen im Kampfsport sammeln können und hat neben dem 1. Dan (Schwarzgurt) in Aikido auch den 2. Dan in Karate-Do. Ebenfalls hat er bei weiteren asiatischen Meistern wie Mantak Chia, Meister Zhang oder der chinesisch-tibetischen Nonne Lama Fofu gelernt. Er kam schon früh durch Karate in Kontakt mit der japanischen Zen-Meditation (Zazen). Bei Meister Mantak Chia lernte er über 10 Jahre lang daoistische Meditation und innere Arbeit (Neigong), welches er bei Meister Ma Jiangbao weiterentwickelte. Bei seinem buddhistischen Hauptlehrer Tenga Rinpoche lernte er über 12 Jahre lang. Ab Ende der 80er Jahre hat er bei vielen tibetischen Lehrern (Lamas) über 20 Jahre buddhistische Meditationspraxis wie Mahamudra und Dzogchen studiert und praktiziert.

Durch die insgesamt 40-jährige Meditationspraxis in Verbindung mit der Kampfkunst und den Gesundheitsübungen konnte er immer tiefer gehend die Wechselwirkung von Bewegung, Energiefluss und Bewusstheit entdecken. In seinem Buch „Meditation, Qigong, Kampfkunst und Taijiquan“ (Jürgen Meyer,2015) beschreibt er neben Methoden der Bewusstheit, inneres Gewahrsein zu erlangen auch über die Erfahrungen mit seinen östlichen und tibetischen Meisterinnen und Meistern.

Sifu Jürgen Meyer lehrt in Neigong Seminaren und der Neigong Kursleiterausbildung die Arbeit mit der inneren Vorstellungskraft (Ji). Dies führt zur Kultivierung von Essenz (Jing), Energie (Qi) und Geist (Shen). Tiefergehende Informationen und Literatur gibt es unter www.wu-taichi-saar.de.

Quellen: Tai Chi Chuan Wu-Stil, Qi Gong, Meditation und die kosmische Lebensenergie Chi (Jürgen Meyer, 2010), Meditation, Qigong, Kampfkunst und Taijiquan (Jürgen Meyer,2015), Taijiquan & Qigong (Jürgen Meyer,2016), Taiji-Qigong Wu-Stil (Jürgen Meyer, 2017)